Vom Diplom-Bibliothekar zum Bachelor/Master - der Praxisbezug in den neuen Studiengängen

Veranstaltung der Kommission für Ausbildung und Berufsbilder auf dem 98. Deutschen Bibliothekartag in Erfurt 2009

Sind die neuen Studiengänge praxistauglich? Wie werden die Absolventen fit gemacht für ihren Einsatz in Bibliotheken und Unternehmen? Diese Fragen bewegten Kolleginnen und Kollegen, die die Veranstaltung der Kommission für Ausbildung und Berufsbilder des BIB beim Erfurter Bibliothekartag besuchten.

Im ersten Teil der Veranstaltung berichteten Prof. Dr. Ute Krauß-Leichert und Dr. Hans-Michael Schäfer von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg sowie Prof. Dr. Konrad Umlauf von der Humboldt-Universität (HU) zu Berlin über die Einbindung von Praktika und praxisbezogenen Projekten in ihren Studiengängen.

Im Bachelor-Studiengang in Hamburg findet im 3. Semester ein Praktikum von 23 Wochen statt, das im folgenden Semester in der Pflichtveranstaltung "Praktikumsauswertung" unter verschiedenen Gesichtspunkten besprochen wird. Die Veranstaltung besteht aus einem von den Praktikanten selbst organisierten Kolloquium unter Einbeziehung der jüngeren Semester, einer Ausbildertagung zum gegenseitigen Austausch sowie dem Erstellen einer Praktikumsbroschüre. Das Praxissemester stellt einen wichtigen Schritt dar, um persönliche Vorlieben zu erkennen, mögliche Berufsfelder aufzuzeigen und den Berufswunsch zu bestätigen. Weiterhin sieht das Bachelor-Studium interdisziplinäre Projekte vor, die in Zusammenarbeit mit Bibliotheken, Kultureinrichtungen oder Unternehmen organisiert werden; so wurden an der HAW Hamburg z. B. Bibliothekssysteme und Bibliotheksführer entworfen, aber auch Marketing- und Kulturprojekte durchgeführt.

Der Lehrplan der HU Berlin sieht für Bachelor-Studierende ein siebenwöchiges Praktikum zwischen den Semestern vor, dazu ein Projektmodul im fünften Semester. Eines dieser Projekte, "Von der Idee zum Buch", das an der HUregelmäßig angeboten wird, stellte Dr. Petra Hauke zusammen mit zwei der beteiligten Studentinnen, Melanie Beutler und Jana Rumler, vor. Ziel des Projektes ist die Veröffentlichung eines Sammelbandes zu einem bibliothekswissenschaftlichen Thema.  Die Realisierung wird von den Studierenden von der Themenfindung und Autorenbetreuung über Lektorat und Layout bis hin zur Werbung selbständig organisiert. Die Studentinnen zeigten sich begeistert von diesem Seminar und ihren Lernerfolgen.

Auch während des Praxissemesters können konkrete Projekte bearbeitet werden. Dies stellte Andreas Teubler von der Hochschule der Medien Stuttgart in seinem Vortrag vor. Er entwarf während seiner Zeit in den Dublin City Public Libraries einen Kurs für Kinder, um sie im Umgang mit dem Internet fit zu machen und ihre Sicherheit in sozialen Netzwerken zu fördern. Wie seine Betreuerin Anne Gannons berichtete, wird das Projekt weiter fortgeführt.

Die Masterstudiengänge sind vor allem dadurch gekennzeichnet, dass einzelne Studierende Projekte  in Zusammenarbeit mit einem Unternehmen durchführen. Dabei entstehen oft hochwertige Ergebnisse, wie auch Carola Abraham von der ekz über Corinna Sepkes Projekt "Kundenbindungsstrategien eines Bibliotheksdienstleisters" urteilte. Sie lobte den fachlichen Hintergrund von Frau Sepke, ihren wertvollen Input für das Unternehmen und die außerordentlich gute Präsentation der Ergebnisse vor verschiedenen Gremien. Als wichtige Faktoren für ein erfolgreiches Projekt aus Sicht der Unternehmen nennt sie einen klar abgesteckten zeitlichen Rahmen, einen persönlichen Ansprechpartner, eine klare Zielvereinbarung sowie das regelmäßige Überprüfen der Erreichbarkeit der vereinbarten Ziele.  

Als weiteres erfolgreiches Projekt im Rahmen einer Masterarbeit wurde "Ranking und Impact-Faktor von Zeitschriften" von Dr. Wolfgang Peters-Kottig vorgestellt. Er schilderte seine neu entwickelte Methode für ein Metaranking. Sein Betreuer Ralf Depping von der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln verfolgt nun an seiner Hochschule die Umsetzung in der Praxis. 

Alle vorgestellten Projekte stellten sowohl für den Arbeitgeber wie auch für die Studierenden eine Bereicherung dar. Für die Studierenden bedeutet die Projektarbeit einen ersten Schritt in die berufliche Praxis ggf. mit der Aussicht auf eine spätere Beschäftigung. Den Arbeitgebern bietet sich die Möglichkeit, wichtige Themen aus externer Sicht bearbeiten zu lassen und dabei qualifizierte neue Mitarbeiter zu gewinnen. Die Kommission für Ausbildung und Berufsbilder hofft, mit der Veranstaltung Anregungen für eine weitere enge Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Bibliotheken gegeben zu haben. Hierzu soll auch ein Praktikumsleitfaden beitragen, den die Kommission auf der Basis von Praktikumsplänen aus der Praxis erarbeiten möchte. Die Moderatorin Heike Kamp bat deshalb noch einmal alle Bibliotheken um Unterstützung.