Kommentierung anlässlich der Rezensin zu Henok Worku "Jung sterben"

besprochen von Susanne Brandt, Büchereizentrale Schleswig-Holstein im Februar 2021

Bei Titeln im Bereich von Religion kann sich die Frage der Abgrenzung zu Sekten stellen, insbesondere bei Medien mit einem deutlich missionarischen Anliegen, die die Lesenden mitunter für ein kompromissloses Bekenntnis zu einer bestimmten Glaubensrichtung gewinnen möchten.

Eine Orientierungshilfe bietet hier zum Beispiel die Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen  in Berlin bzw. die dort nachgewiesenen Weltanschauungsbeauftragten der evangelischen Landeskirchen. Eine Schlagwortsuche zu einer Bewegung oder Gemeinschaft, die in einem Buch beworben wird, führt dort zu Presseberichten, nachvollziehbar begründeten Darstellungen und Einschätzungen, die dazu beitragen können, sich ein genaueres Bild von der Ausrichtung und Überzeugung der Anhänger*innen solcher Bewegungen zu machen.

Ergänzend können auch die Weltanschauungsbeauftragten einzelner Regionen befragt bzw. deren Informationen auf den regionalen Portalen genutzt werden. Eine Übersicht dazu gibt es hier. Sie beleuchten für die jeweilige Region oft noch genauer und aktueller die dort besonders relevanten Bewegungen wie im Fall der o.a. Publikation das Gospel Forum Stuttgart.

Die Informationen helfen dabei, Aspekte wie etwa eine entwürdigende Haltung gegenüber Homosexualität, psychische Druck- und Gewalterfahrungen, Lehren und Behauptungen, die im Widerspruch zur theologischen Forschung und Wissenschaft stehen, in einem Buch bzw. in der dort beworbenen Gemeinschaft zu erkennen. Vor diesem Hintergrund lässt sich von Fall zu Fall abwägen, wie mit dem Dilemma zwischen Grundrechten wie der unverletzlichen Freiheit des Glaubens, des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses einerseits und dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit sowie dem Schutz der Menschenwürde andererseits umzugehen ist.

Bei dem o.a. Titel wurde mit der Rezension einerseits anerkannt, dass es sich hier um ein persönliches Glaubenszeugnis des Autors handelt, das im Sinne des Grundgesetzes Freiheit und Respekt verdient. Zugleich sollten problematische Aspekte, die andere Grundrechte berühren – etwa im Umgang mit Krankheit und persönlichen Freiheitsbedürfnissen - in einer Rezension benannt bzw. hinterfragt werden. Daneben ist eine Kontextualisierung zu empfehlen, indem ein solches Buch weitere Titel an seiner Seite braucht, die die dort beschriebene Enge aufbrechen und durch andere Glaubenshaltungen ergänzen.

In der Gesamtheit sollte der Religionsbestand in Bibliotheken eine große Glaubensvielfalt abbilden und Menschen dazu einladen, sich kritisch und umfassend mit der Diversität religiöser Prägungen und weltanschaulicher Richtungen auseinanderzusetzen. Das ist nicht selten eine Gratwanderung und kann von Fall zu Fall Titel ausschließen, die auf der Sachebene den Anschluss an nachvollziehbare Erkenntnisse verloren haben und Persönlichkeitsrechte in unzumutbarer Weise missachten.