Die Debatte um Akif Pirincci

zusammengefasst von Tom Becker im Februar 2021

Ende 2015 ließ der Leiter der Stadtbibliothek Duisburg, Jan-Pieter Barbian, alle Bücher des Autors Akif Pirinçci aus dem Bibliotheksbestand entfernen, nachdem dieser wiederholt durch rechtsradikale, islamfeindliche und homophobe Kommentare öffentlich in Erscheinung getreten war. Davon betroffen waren auch die Katzenkrimis, mit denen Pirinçci seit Ende der 1980er Jahre äußerst erfolgreich gewesen war. Barbian begründete seinen Schritt in der Fachzeitschrift Forum Bibliothek und Information: „Es handelt sich hier nicht um einen Fall von Zensur, sondern um einen notwendigen und berechtigten Eingriff in das Buchangebot einer Öffentlichen Bibliothek. Sie hat ihre Aufgaben in einer die Grund- und Menschenrechte vertretenden und verteidigenden Demokratie aktiv wahrzunehmen und wird diese Verantwortung in Zukunft noch wesentlich entschiedener übernehmen müssen, als dies bislang erforderlich war.“

Eine Trennung zwischen dem Autor „harmloser“ Katzenkriminalromane und dem Autor politisch fragwürdiger Sachbücher könne, so Barbian weiter, nicht gezogen werden. Ein klares Plädoyer gegen eine wie auch immer geartete Kontextualisierung und für einen restriktiven Ansatz im Bestandsmanagement, der kritische / umstrittene Werke und Autor:innen in Bibliotheken nicht vertreten sehen möchte.

Nicht alle Kolleg*innen sind diesem Beispiel gefolgt, Martin Spieler, Stadtbibliothek Göppingen, gehört dazu, auch wenn er die Argumentation Barbians teilweise in seiner BUB-Kritik nachvollzieht: Die durch das Grundgesetz garantierte Meinungsfreiheit, so argumentiert er, dürfe „nicht als Generalvollmachtverstanden werden, jegliches Mediumkritiklos einzustellen, nur deshalb, weiles nicht verboten beziehungsweise indiziertworden ist.“ Allerdings teilt er im Fall Pirinçci das Vorgehen der Duisburger Kolleg:innen nicht und tritt für eine klare Trennung von Autor:in und Werk ein: „Dem intellektuellen und kulturellen Anspruch, zwischen der »Verderbtheit« eines Werkes und seines Urhebers unterscheidenzu können, sollten sich alle in Informations- und Medienberufen Arbeitenden aufgrund ihrer öffentlichen Funktion und Beteiligung an der Informationsfreiheit besonders verpflichtet fühlen.

Helga Albrecht, Leiterin der Stadtbibliotek Bonn, äußert sich klar in die gleiche Richtung: „Es bestand schnell Einigkeit darüber, dass eine Aussonderung der Titel nicht in Betracht kommt, da dies mit den für Bibliotheken gültigen ethischen Grundsätzen nicht vereinbar wäre. Insbesondere läge bei Aussonderung der Pirincci-Titel der Vorwurf der Zensur nahe.“

Eine Debatte mit zum Teil langen und sehr reflektierten Beiträgen (meine Zusammenfassung pointiert die Aussagen der zitierten Kolleg*innen und vernachlässigt dabei die für eine wirkliche Diskussion notwendigen Graubereiche), die bis heute nichts von ihrer Aktualität verloren haben und die einen beim auch wiederholten Lesen zum Nachdenken bringt.

Quellen: